Ich denke Shock-Value ist etwas, durch was das Spiel erst richtig erfolgreich werden konnte, dadurch verspürt es ähnliche Reize wie Creepy Pastas. Es ist der Twist bei dem 2 vollkommen tonal unterschiedliche Geschichtsgenres aufeinanderprallen. Ich denke ein Undertale hat viel von seinem Ruf ebenfalls dem "Genocide" Ending zu verdanken, was mit dem Rest des Spiels komplett bricht. das sind die Punkte die immer hervorgeholt werden. Während die Spiele daher in meinem Augen zurecht eine große Fanbase haben, sind es eben gerade diese, von außen betrachtet oberflächlichen Aspekte, die sie hervorlocken.
Und ich bin davon nicht ausgenommen, ich hätte mich nie für das Spiel interessiert, ohne jenen Schockwert.
Und da bin ich ganz ehrlich ich habe das Spiel so gegen Ende 2017 gespielt, ich war damals sehr involviert in der Geschichte. Das hat aber auch mehrere Aspekte. Ich finde gerade der Aspekt mit Monika spielt unterschwellig mit dem Thema von parasozialen Beziehungen, einerseits ist diese fiktive Figur selbst dieser erlegen - oder gibt es vor, aber gleichzeitig wird hier die Möglichkeit offen gelassen, dass der Spieler mit einer virtuellen Figur, die Gefühle für den Spielenden äußert, eine (ungesunde) einseitige Verbindung aufbaut. Nichts von den Gedanken die man äußert, werden jemals bei der virtuellen Spielfigur ankommen und nichts von dem was den Spieler empfängt stammt wirklich von einer individuellen Person. Diese ist aber wiederum in der Metanarrative Kernpunkt der Frustration, unter der Annahme einer undurchdringbaren 4. Wand, bei der die fiktive Figur niemals zu dir vorstoßen kann und irgendwie hat mich die Vorstellung ziemlich traurig und wehmütig werden lassen, dass ich nach dem Ende noch ein paar Tage darüber nachdenken musste.
Ich glaube gerade deswegen würde ich diese Spiel jeden einsamen Nerd empfehlen, auch diese, die nicht jeden Tag Isekais schauen, ich glaube gerade bei dieser Zielgruppe kann es besonders bittersüß treffen. Und das ganze ohne auf diese Art von Spieler herabzublicken.
Auch ich bin für derartige Geschichten tatsächlich sehr offen, auch der Film "Her" hatte mich damals ziemlich stark gekriegt, wenn komplexe Gefühle und vermeintliche Verbindungen reproduziert werden, aber am Ende eben doch nur digital sind.
Vermutlich ist das auch der stärkste Aspekt der die Wish-Fulfillment dekonsturiert und den Spieler auf unangenehme Weise in die Realität zurückholt.
Zu der Präsentation möchte ich noch hinzufügen, ich habe eine gewisse Phobie vor Grafikglitches, extrem verzerrten, komplett unlogischen und abstrakten Darstellungen. Der Moment wenn man das Spiel nach Sayuris Suizid neustartet (das Titelbild löst bei mir schon Unbehagen aus) und dann Sayuris Name in schwarz glibberish dargestellt wird, da sie ja nicht "existiert". Da wusste ich bereits, was mir gleich blüht, wenn dann die Szene kommt, wo ihr Charakterporträt in den Bildschirm gestürmt kommt, da hat mein Herz regelrecht "Doki Doki" gemacht, in rasender Geschwindigkeit.
In dem Sinne war dieses Spiel wirklich "Horror" für mich, mehr Horror als es typischer Bodyhorror zu zeichnen vermag. Ich konnte das Spiel kaum lange am Stück spielen oder es musste häufig eine Person anwesend sein wenn ich es angefangen habe, manche Glitches haben mich echt fertig gemacht und anders als in interaktiveren Spielen, kann man nicht einfach die Kamera wegdrehen schnell aus dem Bildschirm scrollen oder sonst was. In mir hat das einen inneren Ekel ausgelöst, was für mich den 2. Part noch mal deutlich verstärkt und einfach hat unangenhem anfühlen lassen, wodurch die 2. iterativ ähnliche, aber komplett ins kafkaeske geführte Handlung, ihre volle Wirkung entfallen konnte oder vielleicht war es sogar zu intensiv.
Jedenfalls erklärt es, warum ich bis heute eine recht hohe Meinung zu dem Spiel habe.
Das Spiel macht noch ein paar weitere interessante Dinge. Mit der Musik, z.B. immer wenn Monika abwesend ist, kann man das "Klavier" spielen hören. Das könnte man auch als Metapther dafür sehen, dass Klavier spielen bedeutet, dass sie in die Tastatur haut, da sie ja im Hintergrund die Persönlichkeiten der Mädchen umschreibt.
Jedenfalls steckt da eine Menge Hirnschmalz drin, den ich einfach nur wertschätzen kann und es versucht eben wirklich die interaktive Komponente des Mediums zu nutzen, um etwas neues zu probieren, auch wenn 4. Wand Bruch Spiele zu der Zeit sehr beliebt waren, sticht das für mich noch mal besonders hervor, gerade weil es so gut geschrieben ist und auch jenseits seines Schockfaktors interessante,teils extentielle, Gedanken und Reaktionen in mir hervorrufen konnte.